ChatGPT: kurzlebiger Trend oder Jahrhunderterfindung?

Von Rolando Grandi, Fondsmanager des Echiquier Artificial Intelligence[1], LFDE

 

Paris, 16. Februar 2023 – Kuriosum oder Revolution? Das Phänomen ChatGPT – ein sprachbasierter Chatbot der neuen Generation – rückt die generative künstliche Intelligenz (KI) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Begeisterung über diese Anwendung hat die ganze Welt erfasst und scheint den Beginn einer Zeitenwende zu markieren. Doch handelt es sich nun um einen kurzlebigen Trend oder um eine Jahrhunderterfindung?

 

Startschuss für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz

Der vom kalifornischen Start-up Open AI[2] entwickelte Chatbot stellt eine kleine Revolution dar und sorgt bei den einen für Faszination, bei den anderen für Besorgnis. Während seine Nutzung an der Universität Stanford geduldet wird, ist sie an der französischen Elitehochschule Sciences Po untersagt. In nicht einmal zwei Monaten verzeichnete das Programm mehr als 100 Millionen Nutzer – ein Rekord. Die Anwendung kann in mehreren Sprachen sekundenschnell Texte generieren, Fragen beantworten, lange Dokumente zusammenfassen und sogar Quellcode schreiben. Im Silicon Valley werden derzeit zahlreiche ähnliche Projekte verfolgt. Microsoft hat mehr als 10 Milliarden US-Dollar in ChatGPT investiert, und Google hat ebenfalls einen eigenen KI-Chatbot Bard vorgestellt, der ähnlich funktioniert und sich auch an ein breites Publikum richtet. Auf der anderen Seite des Pazifiks kündigte der chinesische Internet-Riese Baidu unlängst einen Konkurrenz-Dienst an. Damit beginnt das „KI-Zeitalter“, wie es Satya Nadella, CEO von Microsoft, bezeichnete, und mit ihm ein beschleunigter technologischer Wettlauf. Anwendungen mit vergleichbaren Fähigkeiten im Bereich Sprachalgorithmen verbreiten sich immer schneller. Diese Algorithmen benötigen sehr viel Rechenleistung und sind damit ein Segen für Anbieter wie Nvidia, AWS oder Azure. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für die Rechenleistung von ChatGPT auf rund 3 Millionen US-Dollar pro Tag, das heißt mehr als 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr. Um mit der bahnbrechenden Plattform Geld zu machen, wurde daher Ende Februar eine kostenpflichtige Version eingeführt.

Obwohl generative KI noch nicht perfekt funktioniert, wird sie reale Auswirkungen haben und für große Veränderungen sorgen. Die weltweite Resonanz scheint den Beginn einer Zeitenwende zu markieren. Laut einer Studie von IBM[3] werden 120 Millionen Arbeitsplätze verschwinden, aber auch in allen Branchen neue Jobs entstehen, die von Zeitgewinnen und Produktivitätszuwächsen profitieren.

Denn diese neuen intelligenten Assistenten sind dazu in der Lage, sich wiederholende und zeitintensive Aufgaben zu übernehmen. „No code“- oder „Slow code“-Lösungen ermöglichen dabei eine Demokratisierung der Nutzung von KI-Algorithmen, die dank „Deep Learning“ selbstständig Quellcodes schreiben können. Damit mindern sie den weltweiten Mangel an Entwicklern, insbesondere im Bereich Big Data, der im Dezember 2020 auf 40 Millionen Fachkräfte beziffert wurde[4].

 

Investitionen gigantischen Ausmaßes

Laut Google folgt die Entwicklungsgeschwindigkeit von KI einem Gesetz, das eine Verdopplung alle sechs Monate vorsieht. Dies ist drei- bis viermal schneller als die im Mooreschen Gesetz verankerte und seit Jahrzehnten geltende Weiterentwicklung der Rechenleistung. Das KI-Modell von ChatGPT, GPT-3, nutzt mehr als 175 Milliarden Parameter. GPT-4, die zum Jahresende erscheinende neue Version, dürfte auf mehr als 1.000 Milliarden Parameter zurückgreifen. Dies entspräche einer Steigerung um das Sechsfache in drei Jahren! Eine revolutionäre Technik, die sich derart schnell entwickelt, verlangt nach erheblichen Investitionen in die Recheninfrastruktur. Wenn Google einen ähnlichen Algorithmus wie ChatGPT in seine von täglich über 4 Milliarden Menschen genutzte Suchmaschine einbinden wollen würde, müsste das Unternehmen gemäß Berechnungen von New Street Research mehr als 80 Milliarden US-Dollar investieren. Dieser Betrag übersteigt die Investitionen in Datenzentren im Jahr 2021 von Microsoft, Amazon und Google zusammen!

 

Massive Beschleunigung

Bei der disruptiven Technologie der künstlichen Intelligenz werden immer schnellere Fortschritte erzielt. ChatGPT zeigt die Möglichkeiten von intelligenten Chatbots auf und Dall-E hat die Erstellung digitaler Bilder auf den Kopf gestellt – nur zwei Beispiele für die Übernahme von KI-Anwendungen auf breiter Basis die uns zeigen, dass wir am Beginn einer unumkehrbaren Revolution stehen.

Auf die Frage nach seiner eigenen Bedeutung antwortet ChatGPT übrigens überaus rational und maßvoll: „Es ist möglich, dass Descartes Zweifel daran geäußert hätte, dass ein KI-Modell die Wirklichkeit auf schlüssige und verlässliche Weise verstehen und simulieren kann. Es ist ebenfalls möglich, dass er von den technologischen Fortschritten im Bereich der künstlichen Intelligenz fasziniert gewesen wäre und das Potenzial dieser Modelle zur Verbesserung des Lebens der Menschen erkannt hätte.“ Wir hegen nicht den geringsten Zweifel! Unser Ziel besteht weiterhin darin, den durch KI geschaffenen Wert zu nutzen. Denn diese ebenso bedeutenden wie beispiellosen technologischen und gesellschaftlichen Fortschritte werden so unterschiedliche Sektoren wie die Automobilindustrie und das Gesundheitswesen betreffen und den Menschen dabei auf intelligente Weise zur Seite stehen. Diese rasanten Entwicklungen eröffnen insbesondere mit Blick auf den Bereich KI völlig neue Möglichkeiten.

 

Disclaimer
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[1] Der Fonds ist dem Kapitalverlustrisiko, dem Aktienrisiko und dem Wechselkursrisiko ausgesetzt. Um weitere Informationen zu seinen Merkmalen, Risiken und Kosten zu erhalten, sollten Sie die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumente lesen, die auf unserer Website www.lfde.com abgerufen werden können.
[2] Die aufgeführten Werte haben Beispielcharakter. Weder ihr Vorhandensein im verwalteten Portfolio noch ihre Wertentwicklung sind garantiert.
[3] 2019
[4] U.S. Labor Statistics