Olivier de Berranger

Macroscope: Elektromobilität verliert Glanz auf dem Börsenparkett

Wenn Dinner-Gesellschaften oder Staatsoberhäupter beisammensitzen, gehört das Elektroauto regelmäßig zu den erörterten Themen und sorgt für Debatten oder gar für Polemik. Die Beliebtheit dieses Themas erklärt sich damit, dass Mobilität ein zentrales Element der menschlichen Entwicklung ist. Wie jede Innovation führt auch diese naturgemäß zu Spaltungen.

Elektromobilität im Fokus der Geopolitik

Das Elektroauto sorgt beispielsweise für Spannungen in den geopolitischen Beziehungen. Um wertvolle Größenvorteile zu erreichen, schreckten die großen Wirtschaftsmächte der Welt in den vergangenen Jahren nicht vor Subventionen für die Entwicklung und Batterieproduktion zurück. Diese flossen entweder direkt in die Unternehmen oder sollten auf indirektem Wege die Akzeptanz seitens der Verbraucher fördern. Angesichts dieser Marktverzerrungen werfen sich China, die USA und Europa gegenseitig immer wieder Dumping vor. So äußerte sich die US-Finanzministerin Janet Yellen kürzlich besorgt über „die weltweiten Auswirkungen der in China zu beobachtenden Überkapazitäten“. Doch im Grunde sind Subventionsvorwürfe auch in Bezug auf die USA nicht unberechtigt – Stichwort Inflation Reduction Act (IRA).

Für Verbraucher kann sich der Austausch eines Verbrennerfahrzeugs gegen ein Elektroauto als echte Denksportaufgabe erweisen. Über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs gilt das Elektroauto als eine vernünftige Lösung, mit der sich die CO2-Emissionen reduzieren lassen, vorausgesetzt, man hält sich an eine angemessene Größe. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist ein Urteil jedoch weniger einfach. Der Energieverbrauch ist zwar durchaus kostengünstiger, doch teurere Versicherungsprämien, erhöhte Risiken bei einem Unfall aufgrund des hohen Fahrzeuggewichts und der Instabilität der Batterien sowie erhebliche Volatilität auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehören ebenfalls zu den Faktoren, die es gegeneinander abzuwägen gilt.

Börsenbewertung von Tesla in der Talsohle

An der Börse schleppte sich die Staraktie Tesla als eines der Schlusslichter des S&P 500 mühsam durch das erste Quartal 2024. Mit einem Minus von 30 % hat dieses Mitglied der „glorreichen Sieben“ seinen Glanz verloren. Doch das Unternehmen wird nach wie vor wie ein Technologieunternehmen und nicht wie ein traditioneller Hersteller bewertet. Seine Marktkapitalisierung liegt beim 55-fachen der für die kommenden 12 Monate erwarteten Gewinne und damit weit über der des weltweiten Automobilsektors, der nur mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 bewertet wird. Der Wachstumspfad von Tesla ist mit komplexen Aussichten konfrontiert, zu denen die zunehmende Konkurrenz bei Preisen und Produkten gehört – sowohl seitens der traditionellen Hersteller als auch seitens der führenden chinesischen Akteure der Elektromobilität. Sein wundersamer Chef Elon Musk, der für seine Anhänger ein Genie und für seine Kritiker ein Dämon ist, hatte bei der Präsentation der Ergebnisse von Tesla im Januar mitgeteilt, dass sich das Unternehmen „zwischen zwei Wachstumswellen“ befinde – mit anderen Worten: in der Talsohle. Bleibt abzuwarten, ob die Welle chinesischer Fahrzeuge Begeisterung für dieses disruptive Produkt weckt oder ob Deiche zum Schutz der amerikanischen Perle errichtet werden.

Die Autovermieter stehen vor einem anderen Dilemma: Sollten sie einen großen Teil ihrer Flotte auf Elektrofahrzeuge umstellen, wie der Gesetzgeber gelegentlich fordert, oder ist es besser, abzuwarten, bis die Nachfrage der Verbraucher entsprechend hoch ist? Der US-Riese Hertz legt jedenfalls den Rückwärtsgang ein, nachdem er zunächst auf Elektroautos gesetzt hatte. Zunahme der Unfälle, teure Reparaturen, schnellere Wertminderung und enttäuschende Nachfrage – all das sind Gründe für das Zurückrudern in Richtung Verbrenner nach einer Talfahrt an der Börse, die den Chef des Unternehmens seinen Posten gekostet hat.

Wie jedes vielversprechende neue Produkt meistert das Elektroauto viele Herausforderungen, sorgt aber auch für neue. Doch liegt das nicht in der Natur einer Innovation?

 

 

 

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