Olivier de Berranger

Harte Sanktionen: Der Westen zeigt sich geschlossen

 

In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar löste Russland mit einer groß angelegten Offensive gegen die Ukraine Entsetzen und Empörung in den westlichen Staaten und der gesamten Welt aus. Kaum ein Militärexperte hatte mit einem so massiven Angriff und einem derartigen gewaltigen Truppeneinsatz gerechnet. Nach der Überraschung angesichts der Wucht des Angriffs zweifelten viele an der Fähigkeit und der geschlossenen Reaktion von Europa, das sich aufgrund seiner Energieversorgung in einem Dilemma befand. Es folgten: Ausschluss Russlands von der Fußball-WM in Katar durch die FIFA, vom Eurovision Song Contest, Verlegung des Champions League-Endspiels … Die ersten Sanktionen wären lachhaft gewesen, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre.

Nach der Überraschung angesichts der Wucht des Angriffs zweifelten viele an der Fähigkeit und der geschlossenen Reaktion von Europa, das sich aufgrund seiner Energieversorgung in einem Dilemma befand: Ausschluss Russlands von der Fußball-WM in Katar durch die FIFA, vom Eurovision Song Contest, Verlegung des Champions League-Endspiels … Die ersten Sanktionen wären lachhaft gewesen, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre.

 

Harte Sanktionen: Europa und die USA zeigen Stärke

Doch bereits am folgenden Wochenende verabschiedeten Europa und die USA ein beispielloses Paket an Strafmaßnahmen, dessen Ausmaß ebenfalls für Verblüffung sorgte. Ein Embargo für bestimmte Produkte und Technologien, der Ausschluss aus dem Bankennetzwerk Swift, die Schließung der europäischen Tochtergesellschaft von SberBank, der größten russischen Bank, das Einfrieren des Vermögens von Oligarchen und Personen aus dem Umfeld von Präsident Putin… und vor allem die Sperrung des Zugriffs der russischen Zentralbank auf ihre Währungsreserven im Ausland. Es ist das erste Mal, dass eine Notenbank der G20-Staaten mit Sanktionen belegt wird, so dass sie nunmehr zum Kreis totalitärer Regime wie Nordkorea, Iran oder Venezuela gehört

 

Rubel verliert dramatisch an Wert

Diese Maßnahme ist sicherlich die gravierendste. Denn sie blockiert Russlands Zugang zu einem Teil der Währungsreserven zur Stützung seiner Landeswährung. Die Folge war der Absturz des Rubels auf den tiefsten Stand in der jüngsten Geschichte. Mit 110 pro 1 Dollar (1) hat der Rubel seit der „Wiederwahl“ von Wladimir Putin 2012 über 75% seines Werts verloren. Seit Höchstständen im vergangenen Oktober ist auch die Moskauer Börse um 50% eingebrochen. Diese Abwertung und die enorme Wertvernichtung werden die Inflation so stark anheizen, dass die russische Zentralbank ihre Leitzinsen zwangsweise auf 20% erhöht hat – wodurch die Bevölkerung augenblicklich ärmer geworden ist. Harte Sanktionen.

Auf dem Spiel steht mittelfristig das auf Rohstoffexporten beruhende Wirtschaftsmodell Russlands. Mit einem Handelsbilanzüberschuss von fast 200 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, einem Haushaltsüberschuss und einer Verschuldung von unter 20% des BIP zeigten sich die russischen Kennzahlen offenbar mehr als solide. Sie werden einen Schutz bilden, sobald die Währungsreserven nicht mehr zugänglich sind.

 

Koste es, was es wolle: Westliche Unternehmen verlassen Russland

Dies dürfte einigen Exportländern zu denken geben: Wie sinnvoll ist die Bildung von Devisenreserven, wenn der Zugang zu diesen Reserven im Falle eines Konflikts, also im Bedarfsfall,
von den Hartwährungs-Emittenten abgeschnitten werden kann? Peking stellt sich diese Frage sicherlich. Auf dem Spiel steht aber auch die Attraktivität für ausländische Investitionen: Der angekündigte Rückzug von BP aus dem Kapital des Ölgiganten Rosneft kann den Anfang eines Exodus vieler westlicher Unternehmen aus Russland einläuten – koste es, was es wolle. Die Folgen der europäischen Sanktionen gehen deshalb weit über das hinaus, was im Bereich des Vorstellbaren liegt. Wenn Europa auch durch diese große Krise stärker zusammengeschweißt wird und auf diplomatischer und militärischer Ebene die Reihen schließt, ist dies bereits ein Meilenstein.

 

 

[1]Bis zum 2. März 2022 um 16.00 Uhr