Macroscope: Neue Corona-Variante: Strohfeuer oder Waldbrand?

Am Morgen nach Thanksgiving wurden die noch verkaterten Anleger von Panik erfasst: Die großen Indizes an den europäischen Börsen hatten zu Handelsbeginn zwischen 3 % und 4 % nachgegeben. Grund war die Besorgnis aufgrund der neuen, in Südafrika entdeckten Variante des Coronavirus. Die große Anzahl ihrer Mutationen lässt sowohl ein höheres Ansteckungspotenzial als bei den bekannten Varianten, als auch eine geringere Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe befürchten. Die bisher bekannten Informationen über diese Virus-Variante sind vorerst noch bruchstückhaft und basieren größtenteils auf Modellrechnungen und nicht auf konkreten Daten. Doch das reicht, um eine Überreaktion zu befeuern.

Zudem ereignete sich dieser Kursrückgang bei verringerter Marktliquidität, da der US-Markt am Donnerstag, dem 25. November, geschlossen und die Handelszeiten am Freitag, dem 26. November, verkürzt waren. Diese Umstände erklären teilweise die heftige Reaktion des Marktes. Darüber hinaus findet diese Korrektur in einem besonders günstigen Umfeld statt, denn zuvor hatten alle großen Aktienindizes mehr als 30 % über den Niveaus vom 9. November 2020 gelegen – dem Tag, an dem der erste COVID-19-Impfstoff angekündigt worden war. Dieser Aufwärtstrend hatte sich trotz einer durch die Delta-Variante bedingten Welle sowie wiederkehrender saisonaler Wellen fortgesetzt.

Abseits des Aktienmarkts war die Reaktion relativ übertrieben, da die Zinssätze in Erwartung einer akkommodierenden Geldpolitik der Zentralbanken deutlich zurückgingen. Auf der Aktienseite wurden Titel aus Sektoren, die von der Wiederöffnung der Wirtschaft abhängen, natürlich am stärksten abgestraft, während solche aus Sektoren, die von den Eindämmungsmaßnahmen profitieren, weitaus weniger hart getroffen wurden. Auch wenn diese neue Virus-Variante neue Einschränkungen im Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr befürchten lässt, darf nicht vergessen werden, dass die seit fast zwei Jahren andauernde Gesundheitskrise Unternehmen und Staaten widerstandsfähiger gemacht hat.

Zweifelsohne ist es für eine Einschätzung, ob diese Marktreaktion berechtigt ist oder nicht, noch zu früh. Vor allem, weil über diese Variante noch wenig bekannt ist und ihre Auswirkungen demnach bisher kaum absehbar sind. Sie sorgt für Unruhe, da ihre zahlreichen Mutationen das Virusprotein betreffen, das der Schlüssel für den Eintritt in den menschlichen Körper ist. Wie gefährlich diese Variante ist, ist hingegen noch nicht bekannt. Sollte sie sehr gefährlich sein und sich weiter ausbreiten, wäre dies zweifellos ein Waldbrand, der die Wirtschaft erneut zum Erliegen bringen könnte. Sollte sie sich jedoch als weniger gefährlich herausstellen, würde es sich nur um ein Strohfeuer handeln, und der Aufschwung an den Aktienmärkten und in der Wirtschaft könnte sich fortsetzen.

 


Picking

SIKA – nachhaltige Bauchemie

 

Aktuelles.  Das Schweizer Unternehmen ist einer der Weltmarktführer bei Zusatzstoffen für Baumaterialien und gab soeben die Übernahme von MBCC bekannt, einem der wichtigsten Anbieter von Chemikalienprodukten für den Bausektor. Diese Übernahme im Umfang von 5,5 Milliarden CHF (rund 5,35 Milliarden Euro), also mehr als 10 % der Marktkapitalisierung von SIKA, eröffnet dem Spezialisten für nachhaltiges Bauen neue Perspektiven.

Unsere Analyse.  Der Zeitpunkt war ideal für den Marktführer aus der Schweiz. Die prognostizierten Synergien von 160 bis 180 Millionen Schweizer Franken sind nach unserer Auffassung ohne weiteres erreichbar. Sie können einen Kaufpreis rechtfertigen, der über dem vor zwei Jahren unterbreiteten Angebot liegt (3,2 Milliarden): SIKA hatte 2019 aufgrund seiner geringeren Größe auf die Übernahme von MBCC verzichtet. Unserer Einschätzung nach können diese Übernahme, aber auch die neue, von SIKA für das Betonrecycling entwickelte, bahnbrechende Innovation das Wachstum beschleunigen. Denn der Chemieriese aus dem Kanton Baar bietet mit „reCO2ver“ eine industrielle Lösung an, bei der ein firmeneigenes Zusatzmittel beigemischt und das in der Luft vorhandene CO2 im Abbruchmaterial gebunden wird. Auf diese Weise lassen sich hochwertiger Sand, Kiesel und Kalk gewinnen, die für die Betonherstellung notwendig sind. Mit dieser Lösung kann also der ökologische Fußabdruck eines der umweltschädlichsten und technisch nur schwer wiederverwertbaren Stoffe beträchtlich verringert werden. Diese Innovation beweist nach unserer Auffassung überdies, dass die Schweizer Industrie die Klimawende ernsthaft in Angriff genommen hat und sich als Maßstab im nachhaltigen Bauwesen positioniert.

 

Fazit. SIKA treibt die Konsolidierung am Markt für Bauchemie weiter voran. Das in rund 100 Ländern vertretene Schweizer Industrieunternehmen verzeichnet Margen von 15 bis 18 %, die deutlich höher sind als bei seinen Wettbewerbern, und profitiert zugleich von einem hohen Wachstumsprofil von 6 bis 8 % pro Jahr. Seine Historie ist sowohl hinsichtlich seiner Übernahmen als auch seiner Geschäftsdynamik außergewöhnlich. Dies rechtfertigt aus unserer Sicht seine sehr hohe Bewertung mit mehr als dem 40-fachen der Ergebnisse des kommenden Jahres.