Rolando Grandi

Autonomes Fahren – eine der Revolutionen des 21. Jahrhunderts

Von Rolando Grandi, CFA, Fondsmanager des Echiquier Robotics, des Echiquier Artificial Intelligence und des Echiquier World Next Leaders bei LFDE1

Im 19. Jahrhundert bewirkten der Aufstieg der Erdölindustrie und die Entwicklung des Verbrennungsmotors eine der größten wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Revolutionen der Geschichte und führten zur Entstehung moderner Verkehrsmittel – von Autos über Flugzeuge bis hin zu Schiffen mit Verbrennungsmotor. Das Automobil ersetzte damit das Pferd und wurde zum Symbol der industriellen Revolution, die die Welt veränderte. Was für uns heute eine Selbstverständlichkeit ist, war damals ein entscheidender Wandel. Autos waren sehr anfällig für Pannen, es war keine Infrastruktur vorhanden und Benzin war knapp und teuer. Das Entstehen des „Fordismus“ und die Entwicklung der Infrastruktur begünstigten den Durchbruch des Automobils im Alltag der Menschen. Innerhalb von zehn Jahren passten sich die Städte an, und das Reiten von Pferden wurde zur Freizeitaktivität.

Autonomes Fahren auf dem Vormarsch – Waymo an der Spitze

Heute erleben wir selbst eine Revolution: die Revolution der Digitalisierung, die die Wirtschaft durch den Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI) verändert, und nach und nach alle Sektoren beeinflussen wird. Auch unsere Autos werden davon betroffen sein, denn die Entwicklung des autonomen Fahrens schreitet immer schneller voran.

Die meisten Fortschritte auf diesem Gebiet hat bisher das Unternehmen Waymo erzielt, das bereits mehr als 32 Millionen Kilometer unter tatsächlichen Bedingungen und über 15 Milliarden virtuelle Kilometer zurückgelegt hat. Die Tochtergesellschaft der Google-Mutter Alphabet entwickelt intelligente Taxis ohne menschlichen Fahrer. Die KI ermöglicht es den Autos, mit Hilfe unzähliger Sensoren sicher zu fahren. Das kann man heute in Phoenix, Arizona, bereits selbst testen. Bei der letzten Reise unseres Managementteams nach San Francisco im Jahr 2019 konnten wir in der Stadt, in der Waymo seit Februar 2021 einen Robotertaxi-Dienst anbietet, zahlreiche autonome Autos beobachten. Darüber hinaus gibt es weitere Unternehmen wie Zoox (von Amazon übernommen) und Uber (wird derzeit veräußert). Nicht zu vergessen auch Apple, das größte Unternehmen der Welt, das Projekte im Zusammenhang mit autonomen Autos entwickelt und mit koreanischen Automobilherstellern über die Produktion ihrer autonomen Fahrzeuge verhandelt.

Autonomes Fahren treibt den Markt für Infotainment an

Autonomes Fahren hat zahlreiche Vorteile, von denen einer der wichtigsten wohl ein geringeres Verkehrsaufkommen in den Städten sein wird. Durch die Koordination des Automobilaufkommens in den Städten wird das System effizienter, so dass Verkehrsstaus drastisch reduziert werden dürften, was auch der Sicherheit zugutekommen sollte. Autos könnten untereinander kommunizieren, und KI-Algorithmen sind höchstwahrscheinlich reaktionsschneller als Menschen, werden nie müde und lassen sich nicht ablenken. Nicht zuletzt brauchen sich die Menschen nicht um das Fahren zu kümmern, so dass sie im Auto arbeiten oder sich entspannen können. Das erklärt auch, warum derzeit so viel in Infotainment investiert wird, das Autos zu Räumen für Geselligkeit mit Musik, Displays und Konnektivität macht. Es ist kein Zufall, dass ein Unternehmen wie Samsung im Jahr 2016 mit der Übernahme von Harman Kardon in den Markt des Autos von morgen und dessen Steuerung per Smartphone eingestiegen ist.

Bis 2040 dürften weltweit 55 Millionen Fahrzeuge ohne Fahrer auf den Straßen unterwegs sein2, und dem Beratungsunternehmen McKinsey zufolge ist bis 2050 mit einem massiven Einsatz von autonomen Fahrzeugen zu rechnen. Bis dahin liegt noch ein langer Weg vor uns, aber eines Tages wird jedes Auto über eine gewisse Intelligenz verfügen müssen, um überhaupt zugelassen zu werden. Aber wie es im 20. Jahrhundert für die Pferde der Fall war, wird es außerhalb der (smarten) Städte in Zukunft vermutlich Strecken für Autos geben, auf denen begeisterte Fahrer ihrem Hobby nachgehen werden können.

1 Die Fonds sind vor allem dem Kapitalverlustrisiko, dem Aktienrisiko und dem Wechselkursrisiko ausgesetzt.
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