Wasser, nichts als Wasser!

„Und doch sehen Sie nur das, was oben ist, Herr Marschall.“ So lautete die Antwort des Präfekten an den Grafen Mac Mahon während der furchtbaren Überschwemmungen der Garonne im Jahr 1875.

Wie viele von uns hatten während des Dauerregens der letzten Monate nicht dasselbe Gefühl der Entmutigung? 2013 wird als das Jahr mit dem verregnetsten Frühjahr seit 1959 und dem kältesten Frühjahr seit 1987 in die Annalen eingehen. Was dennoch eine gute Nachricht für unsere Landwirtschaft ist, denn durch die anhaltenden Regenfälle konnte wenigstens der Grundwasserspiegel wiederhergestellt werden, der durch die Verstädterung und intensive Landwirtschaft regelmäßig in Mitleidenschaft gezogen wird.

Der Erhalt der Wasserressourcen stellt eine große Herausforderung dieses Jahrhunderts dar, da das Bevölkerungswachstum und die Anhebung des Lebensstandards einen steigenden Trinkwasserbedarf nach sich ziehen. Jeder Chinese verbraucht fortan 90 Liter Wasser pro Tag(1) und verkleinert seinen Rückstand gegenüber dem französischen Verbraucher (150 Liter/Tag), obgleich er noch weit hinter dem Amerikaner mit seinen 580 Litern pro Tag liegt. Die weltweite Fördermenge an Wasser, die sich seit den 50er-Jahren bis heute verdreifacht hat, dürfte in diesem Tempo bis 2030 um weitere 40 % ansteigen(2).

Vor diesem Hintergrund bilden sich immer mehr technische Lösungen zur Vermehrung der begehrten Ressource, insbesondere mittels Entsalzungstechniken, sowie zur Rationalisierung der Nachfrage dank Wassersparvorrichtungen und effizienteren Versorgungsnetzen heraus. Der Sektor dürfte sich mit einem Wassermarkt, der bis 2020 auf 1.000 Mrd. Dollar/Jahr veranschlagt wird, gut entwickeln.

Dennoch erscheint der Wettlauf um das blaue Gold an der Börse eher wie ein Wunder als ein versprochenes Eldorado! Die Aktionäre von SUEZ ENVIRONNEMENT (-46 %) und VEOLIA (-75 %), den führenden französischen Unternehmen auf dem Gebiet der Wasseraufbereitung, machen diese schmerzliche Erfahrung seit fünf Jahren.

So scheint es den „Water Utilities“ schwer zu fallen, ihr Wirtschaftsmodell ins Gleichgewicht zu bringen, da Wasser kein Rohstoff wie jeder andere ist. Für die große Mehrheit bleibt Wasser ein Gemeingut, das nicht unbedingt gleichbedeutend mit Gewinn und Marktwirtschaft ist. 2010 haben die Vereinten Nationen dieses „Recht auf Trinkwasser“ sogar zum „Menschenrecht“ erhoben.(3) Laut OECD darf die Wasserrechnung nicht höher liegen als 3 % des Einkommens eines Haushalts. Ein Grenzwert, der in Frankreich weit davon entfernt ist, erreicht zu werden, da Wasser durchschnittlich 0,8 % des Budgets eines Haushalts, d. h. ca. 1 EUR pro Tag und pro Haushalt ausmacht.

In diesem für das freie Unternehmertum nicht besonders günstigen regulatorischen und politischen Umfeld können erhebliche Kapitalinvestitionen nur schwer ihre angemessene Entlohnung finden. Das Paradox dieser Festpreiswirtschaft: Wenn die Verkaufsmengen an Wasser zurückgehen würden, würde der durchschnittliche Preis pro Kubikmeter Wasser steigen, damit der Wasserversorger sein Budget ausgleichen kann. In anderen Worten heißt das, je mehr Wasser die Verbraucher einsparen, desto höher ist der Preis, den sie dafür unter Umständen zahlen müssen.

Daher liegt es für einen Anleger nicht auf der Hand, einen Beitrag dafür zu leisten, die Qualität der Versorgungsnetze zu verbessern und ein Wasser von besserer Qualität zu gewährleisten.

Der Preis pro Kubikmeter Wasser (zwischen 0,5 USD/m³ in Hongkong und 9 USD/m³ in Kopenhagen) kann nicht so einfach “manipuliert” werden wie der Kurs von einem Barrel Öl oder einer Unze Gold. Einige weniger auffällige Unternehmen, wie das niederländische Unternehmen ARCADIS (Spezialist im Bereich Infrastrukturprojekte), das finnische Unternehmen KEMIRA (chemische Zusatzstoffe zur Reinigung von Wasser) oder auch das österreichische Unternehmen ANDRITZ, das Abwasser aufbereitet, haben verstanden, dass man sich auf eine längerfristige Perspektive konzentrieren muss. Indem wir ihnen vertrauen und uns ebenfalls in Geduld üben, können auch wir dazu beitragen, das Grundbedürfnis an Trinkwasser eines jeden Einzelnen auf dem Planeten zu befriedigen.

Wer hat also gesagt, dass Finanzen und Wasser nicht gut zusammenpassen?

Didier LE MENESTREL
in Zusammenarbeit mit Marie-Christine Korniloff

1 Studie 2009 der Water Resources Group 2030 „Charting our water future – Economic frameworks to inform decision-making“
2 Studie 2010 von SAM Sustainabilty Investing: „Water: a market of the future“.
3 UNO-Generalversammlung vom 28.07.2010 (http://www.un.org/News/fr-press/docs/2010/AG10967.doc.htm