Olivier de Berranger

Macroscope : Das Problem mit der Staatsverschuldung

Im August hatte die Ratingagentur Fitch mit der Herabstufung der USA von der Bestnote AAA für Erstaunen und Polemik gesorgt. Dennoch scheinen ihr die Fakten zwei Monate später Recht zu geben. Denn zum zweiundzwanzigsten Mal in 50 Jahren haben die USA wieder mit einem Shutdown geliebäugelt, das heißt mit der Einstellung der Tätigkeiten staatlicher Behörden mangels einer Einigung über den Haushalt im Kongress. Dies war im Übrigen eines der Hauptargumente für die Entscheidung der Ratingagentur, die mit der „Verschlechterung der Regierungsführung in den vergangenen zwei Jahrzehnten, die in wiederholten Konfrontationen bezüglich der Schuldenobergrenze und Lösungen in letzter Minute zum Ausdruck kam“ begründet wurde.

Von Unsinn zu Einsicht: Die veränderte Sichtweise in der US-Politik

Diese vom ehemaligen Finanzminister Larry Summers als bizarr und unsinnig bezeichnete Entscheidung wirkt heute durchaus logisch und hellsichtig. Logisch, weil das politische System der USA in dem Sinne einzigartig ist, dass Haushaltsverhandlungen und Verhandlungen über die Schuldenobergrenze häufig als politische Geiseln herhalten müssen, wenn es keine Mehrheit im Kongress gibt. Hellsichtig deshalb, weil das Defizit trotz des unerwartet robusten Wachstums im ersten Halbjahr 2023 in diesem Jahr und in den beiden Folgejahren 6 % erreichen könnte, was eine langfristig kaum tragbare Haushaltsentwicklung darstellt. Ein weiterer Grund sind Zinsen, die Anfang August bereits hoch waren und in den vergangenen Wochen immer weiter gestiegen sind. Bei 10-jährigen US-Staatsanleihen sind sie mittlerweile auf 4,65 % geklettert und erhöhen damit die Schuldenlast der USA noch zusätzlich.

Drohende Doppelbelastung

Ein Shutdown hätte ein doppeltes Risiko für die US-Wirtschaft bedeutet. Das erste wäre eine weitere Herabsetzung ihres Bonitätsprofils durch Moody‘s, die letzte Ratingagentur, die den USA noch das höchste Maß an Sicherheit für Anleger zuspricht, gewesen. Das zweite hätte die Fed betroffen, da die US-Notenbank im Falle eines Shutdowns im Blindflug agieren müsste. Denn mangels Finanzierung könnten die Regierungsbehörden keine amtlichen Statistiken zur Inflation oder anderen Indikatoren wie beispielsweise dem Arbeitsmarkt mehr erstellen.

Haushaltspolitik im Zeitalter steigender Schulden und Zinsen

Die Zinsanhebungen der Fed und der Europäischen Zentralbank haben den paradiesischen Zuständen mit Zinsen nahe null für Staaten mit solidem Rating ein Ende gemacht. Es bricht eine neue Ära an, die der höheren Zinssätze, die nach strengeren Haushaltspolitiken ruft, da die Schuldenlast im Laufe der Zeit und im Zuge der Refinanzierungen immer größer wird. Ein Staat hat im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsakteuren theoretisch eine unbegrenzte Lebensdauer. Daher werden die Kosten seiner Verschuldung – d. h. der Zinssatz – nicht durch die Höhe der Schulden, sondern die Tragfähigkeit seines haushaltspolitischen Kurses bestimmt. Dieser voraussichtliche Kurs darf nicht ins Endlose tendieren auf die Gefahr hin, einen untragbaren Zinssatz zu erzeugen und diese Flucht nach vorn noch weiter zu beschleunigen. Ob USA oder Europa – die Staaten müssen sich an dieses neue Umfeld höherer Zinsen gewöhnen und sich mit dieser Schuldenlast, die schwerer und kostspieliger als je zuvor ist, arrangieren, wenn sie nicht den Zorn der Ratingagenturen und Märkte auf sich ziehen möchten.

 

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