David Ross

Künftige US-Regierungsmannschaft mit Signalwirkung

Im November wird in den Vereinigten Staaten das Erntedankfest (Thanksgiving) gefeiert. Zusätzlich zur jährlichen Thanksgiving-Tradition am vierten Donnerstag im November finden alle vier Jahre am ersten Dienstag im November auch die Präsidentschaftswahlen statt. Das Wahlergebnis steht in diesem Jahr – zur großen Erleichterung aller – nunmehr fest. Der Demokrat Joe Biden hat das Rennen für sich entschieden, jedoch ist mit einer republikanischen Mehrheit im Senat zur rechnen, da der erwartete Erdrutschsieg von Biden ausblieb. Am 5. Januar 2021 werden in Georgia zwei Senatoren gewählt. Die Demokraten könnten nur dann noch eine geringfügige Mehrheit im US-Senat erreichen, wenn beide Senatssitze bei dieser Stichwahl an die Demokraten gingen. Dann läge die Sitzverteilung bei 50/50 für beide Parteien. In diesem Fall kann die gewählte US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die zugleich Präsidentin des Senats ist, die Stimmgleichheit aufheben und mit ihrer Stimme den Ausschlag mit 51 zu 50 geben und den Demokraten die Kontrolle über den Senat verschaffen.

Aber auch in diesem Szenario werden große Reformvorhaben kaum vom Senat verabschiedet werden. Die Senatoren haben zwar die Möglichkeit, über die Eignung eines Gesetzes abzustimmen, um einen Gesetzesentwurf auf die Agenda zu setzen, sind in der Regel jedoch 60 Stimmen erforderlich. Konkret bedeutet dies, dass keine großen Veränderungen wie Steuererhöhungen oder die Verfolgung einer ausgeprägt progressiven Politik zu erwarten sind. Andererseits bedeutet das Ausbleiben nennenswerter Umwälzungen aber auch, dass die Ungewissheit abnimmt – und das schätzen die Investoren.

Bidens Regierungsmannschaft mit Signalwirkung

Was die Anleger ebenfalls bereits begrüßt haben, ist die neue Aufstellung der Regierung, die die wirtschaftlichen Geschicke der USA lenken wird – allen voran die ehemalige Federal Reserve-Chefin Janet Yellen als Finanzministerin. Schon allein diese Ernennung hat Signalwirkung. Erstens wird es für die republikanischen Senatoren, die für Yellen eingetreten waren und ihre Rolle an der Spitze der US-Notenbank begrüßt hatten, schwierig werden, Abstand von ihr zu nehmen und gegen sie zu stimmen. Zweitens läutet die Ernennung dieser unermüdlichen Verfechterin unabhängiger Zentralbanken das Ende der Kluft zwischen der Trump-Regierung und der Federal Reserve ein. Drittens kann Yellen aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Rufs als erfolgreiche politische Entscheidungsträgerin mit dem Kongress zusammenarbeiten und den Forderungen der Republikaner nach Sparmaßnahmen mit umfassenden Konjunkturpaketen entgegentreten.

Kein radikaler politischer Richtungswechsel – aber mehr Sicherheit für Anleger

Ebenfalls Teil von Bidens Team sind weitere erfahrene „Schwergewichte“ wie der hochrangige internationale Funktionär Wally Adeyemo, der zum stellvertretenden Finanzminister ernannt wurde, und Brian Deese, ehemaliger Manager von BlackRock und stellvertretender Leiter des Amts für Verwaltung und Haushalt (Office of Management and Budget), der nun zum Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats (National Economic Council) ernannt wurde. Gemeinsam bringt das neue Team Anlegern mehr Planungssicherheit, denn es garantiert Stabilität und verkörpert Kompetenz in Bezug auf die künftige US- Wirtschaftspolitik. Darüber hinaus verfügen zahlreiche Berater in diesem Team zusätzlich über Erfahrung in der Arbeitsmarktökonomie und teilweise sogar in der Klimapolitik.

Dies deutet darauf hin, dass der Schwerpunkt auf Bildung, höheren Löhnen und Infrastrukturprojekten im Bereich erneuerbare Energien liegen wird. Progressive Reformen wie etwa „Medicare For All“, umfangreiche Umverteilungsprogramme oder ein wesentlicher Richtungswechsel in der Fiskalpolitik stehen allerdings nicht auf der Agenda – ganz zu schweigen von der Implementierung visionärer Maßnahmen, die auf der Modern Monetary Theory (modernen Geldtheorie) beruhen. Vielmehr werden maßvolle politische Änderungen auf der Tagesordnung stehen, die schrittweise umgesetzt werden.