ESG: Konkrete Bedrohung durch Donald Trump?
Coline Pavot, Leiterin des Research-Teams für verantwortliche Investments, La Financière de l’Échiquier (LFDE) | Dezember 2024
Donald Trump ist wieder da! Der Wahlsieg des republikanischen Kandidaten im November hat bei denjenigen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen, für düstere Stimmung gesorgt. Auf dem Papier verheißen die Ankündigungen von Donald Trump in der Tat nichts Gutes in Sachen ESG[1]. Könnte die Anti-ESG-Bewegung, die in den USA seit seiner ersten Amtszeit bereits stark ist, noch mehr Auftrieb erhalten? Werfen wir einen genaueren Blick auf die sozialen und ökologischen Risiken, die mit einer erneuten Amtszeit einhergehen.
Was hat Trump vor?
Mit seinem Wahlkampfmotto „Drill, baby, drill“[2] hat der republikanische Präsidentschaftskandidat seine Absichten im Hinblick auf die Bekämpfung des Klimawandels deutlich gemacht. Versprochen hat er vieles: Verstärkung der Ölförderung in der Hoffnung auf billigere Energie und Aufhebung der unter Joe Biden verabschiedeten Umweltvorschriften, um die Unternehmen zu entlasten. Auf internationaler Ebene droht Trump auch damit, aus dem Übereinkommen von Paris und sogar aus dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) auszutreten, was das Aus für das gemeinsame 1,5°C-Ziel bedeuten könnte. Laut Carbon Brief[3] könnten die geplanten Maßnahmen bis 2030 zusätzliche Emissionen in Höhe von 4 Milliarden Tonnen CO2 zur Folge haben – mehr als die jährlichen Emissionen der gesamten Europäischen Union.
Drohungen lassen sich nicht so einfach umsetzen
Kann Donald Trump sein Vorhaben so einfach verwirklichen? Sein Plan, Teile des IRA[4] zu streichen, dürfte selbst in den eigenen Reihen auf Widerstand stoßen. Denn 80 % der durch den IRA finanzierten Investitionen kamen Bundesstaaten zugute, die von den Republikanern regiert werden. Dies gilt beispielsweise für Texas, dem es dank umfangreicher Subventionen möglich war, eine Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energien einzunehmen und zahlreiche Arbeitsplätze in diesem Sektor zu schaffen. Der IRA enthält mehrere umweltspezifische Bestimmungen, die nun auf der Kippe stehen. Diese stärken jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie, insbesondere gegenüber China, und entsprechen damit dem „America First“-Motto des republikanischen Lagers. Auf sozialer Ebene schließlich wird die vom zukünftigen Präsidenten geplante massive Abschiebung von 10 bis 12 Millionen Arbeitnehmern ohne Aufenthaltsgenehmigung in ihre Heimatländer zweifellos negative Auswirkungen auf die Inflation wie auch auf das Wirtschaftswachstum haben.
Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Sollte man angesichts dieses durchwachsenen Fazits das Glas eher halb voll oder halb leer sehen? Die Ankündigungen Donald Trumps geben aufgrund ihres negativen Charakters derzeit wenig Anlass für Optimismus und haben zu übertriebenen Kursschwankungen bei „grünen“ Vermögenswerten geführt. Die praktische Umsetzung der provokativen Slogans des zukünftigen Präsidenten erfolgt aber oftmals differenzierter, wie die tatsächlichen Maßnahmen seiner vorherigen Amtszeit zeigen. Dennoch ist zu befürchten, dass andere Länder nachziehen könnten, die angesichts der vorherrschenden Klimaskepsis weniger zögerlich sind, ihre verbindlichen Ziele nach unten zu korrigieren.
Viele Anleger sind besorgt darüber, dass die europäischen Volkswirtschaften gegenüber den USA und China an Fahrt verlieren. Für Europa bietet sich hier aber auch die Gelegenheit, bei der Bewältigung dieser zentralen Herausforderungen für die Zukunft unseres Planeten und unserer Wirtschaft die Führung zu übernehmen. Als verantwortungsbewusste und engagierte Anleger ermutigen wir Unternehmen und Regulierungsbehörden weiterhin dazu, unter dem Gesichtspunkt der doppelten Wesentlichkeit auf Kurs zu bleiben und ehrgeizige Maßnahmen zu ergreifen.