Clement Inbona

Macroscope: US-Inflation – Die sanfte Tour bleibt ohne Wirkung

Wieder einmal sorgte die Höhe der US-Inflation im September für Überraschung. In der Preisentwicklung ohne Energie und Lebensmittel war eine Verteuerung um 6,6 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen – der höchste Wert seit 1982.

Weniger volatile Komponenten geben das Schrittmaß vor

Zwar geben die Preise vieler Güter langsam wieder nach, da sich die Lieferketten nach den pandemiebedingten Verwerfungen allmählich normalisieren; doch im Dienstleistungssektor ist der Preisdruck weiterhin hoch – Tendenz steigend. Bei allen großen Posten ist sowohl im September als auch über ein Jahr hinweg ein Anstieg zu verzeichnen.

Warum zwingt diese Situation die US-Notenbank (Fed) dazu, ihre Geldpolitik erneut zu straffen? Die zur Preissteigerung beitragenden Komponenten sind nicht alle gleichermaßen träge; einige von ihnen sind sehr volatil. Das ist einer der Gründe dafür, dass Energie und Lebensmittel bei der Berechnung der Kerninflation, die der Fed als Kompass dient, nicht berücksichtigt werden. Andere Komponenten sind hingegen „zäher“. Wenn diese erst einmal unter Druck stehen, kann es Monate dauern, bevor sich der Trend umkehrt.

Wohnkosten am deutlichsten spürbar – mit Wirkung auf die Inflationsdynamik

Ein typisches Beispiel ist Wohnraum. Auf der einen Seite werden auf dem Immobilienmarkt erste Anzeichen einer Entspannung erkennbar. Hierzu zählt der Rückgang von Neubauprojekten oder von Wohnungsverkäufen, welche unter dem Anstieg der Hypothekenzinsen ächzen. Der 30-jährige Referenzzinssatz hat sich seit Jahresbeginn bereits verdoppelt und liegt mittlerweile über 7 %. Für einen Immobilienkäufer bedeutet das, dass die Darlehenskosten den geliehenen Betrag übersteigen. Auf der anderen Seite steigen die Mieten und die geschätzten Wohnkosten für Eigentümer jedoch weiter, und zwar allein im September um 0,8 %.

In den USA wie auch anderswo ist Wohnen der größte Posten in den Ausgaben der Privathaushalte und macht 40 % des durchschnittlichen US-Inflationskorbs aus. Damit ist er unter dem Strich am deutlichsten spürbar und könnte eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen. Denn wenn die Kaufkraft schwindet, werden Lohnforderungen härter und Arbeitnehmer suchen verstärkt nach besser vergüteten Stellen, was wiederum den Preisen Auftrieb verleiht.

Im Kampf gegen die Inflation scheint es das Beste zu sein, die Konjunktur abrupt abzukühlen, als es auf die sanfte Tour zu versuchen. Wenn die Fed die Inflation wirklich aktiv bekämpfen will, scheint das Risiko, das Wachstum abzuwürgen – bis hin zu einer Rezession –, unvermeidbar zu sein.