Macro Scope: Teuer, aber tragfähig? Aktienmärkte zwischen Rekordbewertung und Wachstumsdynamik
Von Alexis Bienvenu, Fondsmanager bei LFDE
Paris / Frankfurt am Main, 07.10.2025
Die fast täglich zu verzeichnenden Rekorde der weltweiten Aktienmärkte und noch mehr die kometenhaften Kursanstiege einiger symbolträchtiger Titel wie NVIDIA (+1.411 % in drei Jahren in Dollar, umgerechnet 147 % pro Jahr[1]) werfen zwangsläufig die Börsenfrage auf: Haben wir es mit einer Blase zu tun, insbesondere auf dem US-amerikanischen Markt? Etwas nüchterner formuliert: Ist der Aktienmarkt überteuert?
Hohe Bewertungen an den US-Märkten
Die Antwort lautet: Ja, aber nicht ohne Grund. „Ja“, weil das aktuelle KGV des S&P 500 – das Verhältnis der Aktienkurse zu den erwarteten Gewinnen der Unternehmen über das kommende Jahr – laut Bloomberg-Konsens bei 22 liegt und damit deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von etwa 16. Es stimmt zwar, dass ein großer Teil dieser übermäßig hohen Bewertungen von den schillerndsten US-Werten stammt. Der Index „Magnificent 7“[2], in dem sie zusammengefasst sind, wird mit dem 37-fachen der Gewinne gehandelt, bei NVIDIA sogar mit dem 48-fachen. Das Gewinnwachstum dieser Gruppe ist allerdings außergewöhnlich und ihre Aussichten gut, sodass ihre beachtliche Überbewertung gerechtfertigt erscheint.
Eine andere Möglichkeit, die Chancen bei Aktienanlagen einzuschätzen, ist die sogenannte „Aktienrisikoprämie“. Sie spiegelt die erwartete Überrendite von Aktien im Vergleich zu Staatsanleihen wider. Derzeit liegt sie nahezu bei null. Das liegt nicht nur daran, dass die Aktienindizes teuer sind, sondern auch daran, dass US-Anleihen eine beachtliche nominale Rendite von 3,6 % bei einjähriger Laufzeit bieten[3].
Moderate Bewertungen in Europa
Betrachtet man nur Europa, so fällt die Antwort ganz anders aus. Zwar werden die Aktien mit einem KGV von 15 pro Aktie beim Euro Stoxx 50 ein wenig teurer gehandelt als zu ihrem langfristigen Durchschnitt von etwa 13, aber das ist bei weitem keine extreme Lage.
Der zweite Teil der Antwort – „nicht ohne Grund“ – ist jedoch ebenfalls von Bedeutung. Aus Sicht der Börse gibt es zumindest viele gute Nachrichten aus den USA. Laut dem Bloomberg-Konsens wird das erwartete BIP-Wachstum für die Jahre 2025 und 2026 seit dem Sommer kontinuierlich nach oben korrigiert. Es liegt derzeit bei rund 1,8 %, was zum großen Teil dem Technologiesektor zu verdanken ist. Auch die klassischen Stimmungsindikatoren für die Industrie befinden sich im Aufwind, mit Ausnahme des ISM-Indizes für das verarbeitende Gewerbe. Der Geschäftsklimaindex für KMU liegt mit über 100 Punkten auf einem hohen Niveau. Darüber hinaus ist der Ölpreis mit durchschnittlich etwa 65 US-Dollar seit einem Jahr sehr günstig. Gleichzeitig gibt der US-Dollar nach, was sich positiv auf Exportunternehmen auswirkt. Trotz der Preisanstiege aufgrund der Zölle hält sich der Konsum insgesamt letztendlich gut, abgesehen von dem der Bevölkerung mit geringen Einkommen.
Schwächerer Arbeits- und Immobilienmarkt
Dieses fast idyllische Bild wird jedoch von zwei Faktoren getrübt. Da wäre zunächst der Arbeitsmarkt, dessen Dynamik sich deutlich abgeschwächt oder sogar umgekehrt hat. Hinzu kommt der Immobilienmarkt, der vor allem wegen der sehr hohen Hypothekenzinsen weiterhin schwächelt. Auf dem Arbeitsmarkt liegt allerdings eine besondere Situation vor. Zwar werden nur wenige neue Stellen geschaffen oder sogar welche abgebaut, doch zugleich ist auch die Nachfrage nach Arbeit schwach. Daraus ergibt sich eine Arbeitslosenquote von 4,3 %[4], die nur leicht ansteigt. Nach der jüngsten Zinssenkung der Fed kann man davon ausgehen, dass der Immobilienmarkt wieder an Fahrt gewinnt.
Auf die Frage nach einer Bewertungsblase gibt es also weder eine einfache noch eine schnelle Antwort. Ein kurzer Blick auf die üblichen Kennzahlen legt nahe, dass der Markt zwar teuer ist, aber aus gutem Grund. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt seine Bewertung nicht besonders beunruhigend – zumindest nicht, solange die derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen anhalten.
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