Olivier de Berranger

Wiederherstellung der Ordnung

Die Stressepisoden während der Sommermonate gehören zu den typischen lästigen Marktereignissen, auf die Anleger gerne verzichten würden. Insbesondere die Geschehnisse Anfang August würden sie am liebsten ganz schnell wieder vergessen. Die Ursachen waren sowohl zahlreich als auch ernstzunehmend: Die Veröffentlichung schlechter Daten zum US-Arbeitsmarkt, die die Anleger völlig unvorbereitet traf, der massive Abverkauf von Short-Positionen auf den Yen, nachdem die japanische Zentralbank überraschend die Leitzinsen erhöht hatte, Lieferverzögerungen beim neuen Chip von Nvidia sowie erneute Spannungen im Nahen Osten.

Doch der Stress hielt nicht lange an. Nur ein paar Wochen nach diesem Panikausbruch hatten die meisten Aktienindizes die Verluste schon wieder vollständig wettgemacht, darunter auch der Nikkei, der Leitindex der Tokioter Börse, der innerhalb weniger Tage um fast 20 % eingebrochen war. In den USA erreichte der S&P 500 fast wieder seine Höchststände von Mitte Juli und der Dow Jones kletterte auf neue Rekordhochs.

 

Kurskorrektur im Sommer markiert Wendepunkt

Es wäre jedoch etwas voreilig, diese Korrektur als unbedeutend und folgenlos abzutun. Tatsächlich markiert sie einen Wendepunkt im Hinblick auf die Einstellung der Marktteilnehmer. Unter dem Einfluss von Inflation und Zinserhöhungen entwickelten sich die Märkte mehr als zwei Jahre lang getreu dem Motto „Bad news is good news“. Mit anderen Worten: Schlechte bzw. schlechter als erwartet ausfallende makroökonomische Daten wurden als gute Nachrichten gewertet, da sie auf eine geringere wirtschaftliche Dynamik hindeuteten, die den Inflationsdruck verringern und somit den Zentralbanken die Möglichkeit geben würde, die geldpolitische Straffung zu stoppen und schließlich Zinssenkungen einzuleiten.

Nun sieht die Lage völlig anders aus. Mehrere Industrieländer (z. B. Eurozone, Kanada, Vereinigtes Königreich) haben mittlerweile mit Zinssenkungen begonnen oder fassen sie ins Auge, wie beispielsweise die USA, wo die Desinflation mittlerweile weit fortgeschritten ist. Eine Ausnahme bildet Japan. Da schlechte Wirtschaftsdaten nun also nicht mehr notwendig sind, um die Zentralbanken zur Lockerung ihrer Politik zu veranlassen, werden sie wieder zu dem, was sie im Grunde sind: schlechte Nachrichten. Die stark negative Reaktion des Aktienmarkts auf den überraschenden Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den USA war Ausdruck dieses Stimmungswandels: An den Märkten gilt wieder das Motto „Bad news is bad news“.

 

Rückkehr zur Normalität auch bei der Korrelation von Aktien und Anleihen

Diese langfristig notwendige Rückkehr zur Normalität geht mit einer weiteren Kehrtwende einher. Normalerweise entwickeln sich Aktien und Anleihen umgekehrt zueinander. In den letzten Jahren schien diese Regel jedoch außer Kraft gesetzt zu sein. Insbesondere im Jahr 2022 ging es an den Aktienmärkten aufgrund der Sorgen über steigende Zinssätze – und des damit verbundenen Rückgangs der Anleihekurse – deutlich bergab. Umgekehrt hatte die starke Zinssenkung Ende 2023 zu einer kräftigen Erholung der Märkte für Risikoanlagen geführt, wobei Aktien und Anleihen gemeinsam aufwerteten. Im Rahmen der Korrektur im vergangenen August war hingegen wieder die für diese Assetklassen typische gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Aus Sorge über die plötzliche Verschlechterung der Lage am US-Arbeitsmarkt und die erneute Rezessionsgefahr brachen die Aktienmärkte ein. Die Anleihenmärkte legten hingegen deutlich zu, da sie die Möglichkeit einer beschleunigten Zinssenkung durch die US-Notenbank sahen.

Diese Rückkehr zur Normalität hat einen Vorteil für die Anleger: Sie haben mehr Spielraum bei der Portfolioallokation und können Anleihen wieder als Sicherheitspolster nutzen. Angesichts der zunehmenden Zweifel an der Stabilität des US-Arbeitsmarktes ist dies beruhigend. Anders als im Jahr 2022, dem annus horribilis, gibt es nun wieder sichere Häfen für die Anleger. Sollte das zentrale Szenario einer sanften Landung in Sachen Inflation und Wachstum nicht eintreten, wird die übliche Strategie verfolgt: Übergewichtung von Anleihen sowie Umschichtungen von zyklischen in defensive Anlagen und Anlagen mit deutlichem Wachstum. Darüber hinaus warten wir auf die Rückkehr zur Normalität bei den Bewertungen von Small und Mid Caps, die im Vergleich zu denen von Large Caps noch immer historisch niedrig sind.

 

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