Olivier de Berranger

Neue Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaft

Paris, 9. Mai 2023 –  Stellen Sie sich vor, nichts wäre mehr so wie früher. Vor dem Hintergrund multifaktorieller Krisen, die unsere Abhängigkeiten und strategischen Schwachpunkte offengelegt haben, hat ein Wandel der Weltwirtschaft begonnen. Ob russische Energielieferungen, chinesische Medikamente oder taiwanesische Computerchips: Die Globalisierung hat Abhängigkeiten geschaffen. Ein Grund dafür ist die extreme Ballung der Produktionsstandorte, die bestimmte strategische Sektoren und Kompetenzen weltweit betrifft. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: So stammen die pharmazeutischen Wirkstoffe, die in Europa und den USA verkauft werden, zu 75 % bzw. 80 % aus China und Indien – gegenüber 20 % noch vor 30 Jahren – und 80 % der Halbleiter sowie 90 % der Bauteile von Solarmodulen werden in Asien produziert.

Die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine waren zwei einschneidende Ereignisse, die die weltweiten Lieferketten ins Stocken gebracht und zu einem Umdenken in Sachen Globalisierung geführt haben: Die Unternehmen überdenken ihre Produktions- und Lieferketten, strategische Sektoren werden weltweit zurückverlagert, es entstehen „grünere“ lokale Ökosysteme und die Volkswirtschaften stoßen in neue Dimensionen vor, um resilienter, autonomer und selbstständiger zu werden. Ein Lösungsansatz ist die Relokalisierung von Waren und Know-how mit strategischer Bedeutung.

Wunsch nach Reduzierung der Abhängigkeiten treibt Wandel

Diese neuen Gegebenheiten führen zu einer Umstellung der Waren- und Dienstleistungsströme zwischen den Regionen. Ziel ist es, die Abhängigkeiten in Schlüsselsektoren wie Technologie, Industrie, Energie, Nahrungsmittel und Gesundheit zu vermindern und der Fragmentierung der über mehrere Kontinente hinweg verstreuten Produktionsprozesse ein Ende zu setzen. Auch den immer wieder auftretenden Lieferengpässen, die auf Probleme in den für über 80 % des Welthandels genutzten Lieferketten zurückzuführen sind, soll so entgegengewirkt werden. Die großen Konzerne gehen zu einer „China + 1“-Strategie über, d. h. sie verdoppeln ihre Lieferketten.

Diese Dynamik wird von staatlichen Bestrebungen, die Abhängigkeit insbesondere von Asien zu vermindern, unterstützt. Das gilt beispielsweise für die Halbleiterbranche, für die in den USA der „Chips Act“ mit über 50 Milliarden US-Dollar verabschiedet wurde, während die Europäische Union 2022 einen entsprechenden Plan über 45 Milliarden Euro angekündigt hat. Neben der dringend erforderlichen Autonomie ist die Souveränität von entscheidender Bedeutung.

Neue Perspektiven, neue Innovationsfelder, neue Chancen

Begünstigt durch die Digitalisierung und die Automatisierung eröffnen diese industriellen, wirtschaftlichen und geopolitischen Wandlungsprozesse neue Perspektiven, schaffen neue Innovationsfelder und Gelegenheiten. Wem kommt dies zugute? Unternehmen mit starker lokaler Verankerung, die bereits resiliente Strategien einsetzen und von wesentlichen Vermögenswerten, Gaspipelines oder Telekommunikations-Sendemasten profitieren, sowie Unternehmen, die über strategisch wichtige Patente verfügen und ihre Produkte nahe beim Endkunden herstellen oder beschaffen sowie öffentliche Finanzierungen erhalten. Beispiele dafür sind Meyer Burger[1], ein Hersteller von Solarmodulen in der Schweiz und Deutschland, der Weltmarktführer Imerys, der in Frankreich das für die Energiewende wesentliche Leichtmetall Lithium abbauen will, oder Euroapi, dessen europäische Produktionsstandorte unsere Abhängigkeiten im Hinblick auf pharmazeutische Wirkstoffe verringern.

Diese neuen weltweiten Gegebenheiten, die sich aus dem grundlegenden Streben nach Autonomie ergeben, schaffen neue Chancen sowohl für Unternehmen als auch für Anleger.

Von Olivier de Berranger, CIO, und Nina Lagron, CFA, Fondsmanagerin globale Aktien bei LFDE

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[1] Die genannten Unternehmen dienen lediglich als Beispiele. Weder ihr Vorhandensein im verwalteten Portfolio noch ihre Wertentwicklung sind garantiert.