Macroscope: Ein neues goldenes Zeitalter?
Von Alexis Bienvenu, Fondsmanager bei LFDE
Paris / Frankfurt am Main, 23.04.2025 – Gold hat am 16. April die Marke von 3.300 Dollar überschritten und war damit dreimal so teuer wie noch vor zehn Jahren. Seit Jahresbeginn hat der Goldpreis ein Plus von 25 % verzeichnet und gehört damit neben Goldminen und dem Verteidigungssektor zu den Vermögenswerten, die sich im derzeitigen Chaos am besten behaupten.
Goldpreisanstieg als Indikator globaler Stressphasen
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass Höhenflüge des als sicherer Hafen geltenden Edelmetalls immer starke finanzielle Turbulenzen ankündigten oder begleiteten. So schoss der Goldpreis Ende der 1970er Jahre im Zuge der durch den Ölschock ausgelösten massiven Inflation in die Höhe. Seinen Spitzenwert erreichte er Anfang 1980, als die US-Notenbank ihre Geldpolitik so stark straffte, dass sie eine Rezession auslöste.
Anfang der 2000er Jahre setzte Gold zu einem langen Anstieg an, der von der Bildung einer riesigen Immobilienblase in den USA begleitet wurde. Die „Große Rezession“, die auf das Platzen dieser Blase im Jahr 2008 folgte, stellte für den Goldpreis kein Hindernis dar. Während der gesamten europäischen Währungskrise, die mit dem Beinahe-Bankrott Griechenlands einherging, stieg der Goldpreis unbeirrt weiter an. Der Höhepunkt wurde 2011 erreicht, als das Rating der USA erstmals herabgestuft wurde. Dieses symbolträchtige Ereignis war für die Weltmacht Nummer Eins traumatisch, auch wenn es bisher scheinbar noch keine ernsthaften Konsequenzen für die Finanzwelt hatte.
Die jüngsten Spitzenwerte des Goldpreises während der Corona-Krise und anschließend beim Ausbruch des Krieges in der Ukraine signalisieren ebenfalls Stressphasen an den Finanzmärkten bzw. auf geopolitischer Ebene, mit weitreichenden Folgen, insbesondere in Form einer dadurch ausgelösten Inflation. Welche globalen Turbulenzen kündigt sein Höhenflug diesmal an?
Weltweiter Bedeutungsverlust des US-Dollars
Das derzeit wahrscheinlichste Szenario ist ein zunehmendes Misstrauen gegenüber dem Dollar mit nur schwer abschätzbaren Konsequenzen, von dem alternative Währungen wie Gold profitieren würden. Der Statuts des Dollars, der den internationalen Handel unangefochten dominiert hat, wird mittlerweile in Frage gestellt.. Sein Anteil an den Reserven der Zentralbanken ist laut dem IWF von 65 % im Jahr 2016 auf 57 % im Jahr 2024 gesunken. Als Ersatz haben sich die Zentralbanken weltweit auf das gelbe Metall gestürzt. Nach Angaben des World Gold Council beliefen sich die Goldkäufe der Zentralbanken zwischen 2010 und 2021 auf durchschnittlich 473 Tonnen pro Jahr. Doch seit dem Jahr 2022, das vom Krieg in der Ukraine geprägt war, ist die Nachfrage explosionsartig auf über 1.000 Tonnen pro Jahr angestiegen, was vor allem auf die Schwellenländer zurückzuführen ist. China ist nicht das einzige Land, das daran beteiligt ist. Im Jahr 2024 war die polnische Zentralbank der größte Goldkäufer, gefolgt von der Türkei, Indien und erst dann China. Andere Vermögenswerte wie der Yuan oder Kryptowährungen ergänzen das Angebot an alternativen Devisen, ihr Anteil ist jedoch nach wie vor verschwindend gering. Der Yuan beispielsweise macht nur 2 % der weltweiten Reserven aus. Wenngleich sein Aufwärtspotenzial enorm ist, kann er Gold nicht in den Schatten stellen, da es den Vorteil hat, von allen Staaten unabhängig zu sein.
Gezielte Dollar-Schwächung könnte Goldpreis weiter stützen
Zu der allmählichen Distanzierung vom Dollar kommt die Entschlossenheit der USA hinzu, den Druck zu mindern, unter dem jede Reservewährung grundsätzlich steht. Denn dieser Status führt aufgrund der unerschöpflichen Nachfrage automatisch zu einer strukturellen Überbewertung und damit zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bei Exporten. Kern der wirtschaftlichen Bestrebungen Donald Trumps ist es, hier Abhilfe zu schaffen. So versucht er unter anderem, die US-Notenbank zu einer vorzeitigen Zinssenkung zu bewegen, um den Dollar zu schwächen und so den Exportsektor zu stärken. Diese Politik könnte so weit gehen, eine konzertierte Abwertung des Dollars zu erzwingen, wie es die Gerüchte um das geheimnisvolle Abkommen von „Mar a Lago“ nahelegen. Unter diesem Gesichtspunkt würde Gold die Rolle einer Fluchtwährung übernehmen, die niemand abwerten kann. Das macht es so attraktiv.
Kurzfristig Korrekturen wahrscheinlich
Weitere konjunkturelle Faktoren, die die Dynamik von Gold stützen, sind insbesondere der Inflationsanstieg, mit dem man in den USA infolge der Erhöhung der Zölle auf importierte Güter rechnet. Hinzu kommen die nach wie vor ungelösten symbolträchtigen Konflikte, insbesondere in der Ukraine, im Nahen Osten und am Roten Meer.
All dies verheißt eine glänzende Zukunft für Gold. Doch die Stärke seines Anstiegs wirft Fragen auf, insbesondere im Vergleich zu Silber. Üblicherweise verläuft die Entwicklung beider Metalle sehr ähnlich. Doch sowohl 1980 als auch 2011, als Silber im Vergleich zu seinem edlen Schwestermetall übermäßig stark anstieg, folgte darauf eine heftige Korrektur. Heute ist die Situation ähnlich, nur mit vertauschten Rollen. Bei Gold ist also Vorsicht geboten, auch wenn es nie an Katastrophen mangeln dürfte, die es glänzen lassen.