Olivier de Berranger

Macroscope : Die ständige Rückkehr der Inflation

Paris, 7. März 2023 – Die Hoffnung, sie endlich zurückgedrängt zu haben, wurde enttäuscht: Die Inflation hält sich wesentlich besser als die Privathaushalte, die sie mit voller Wucht trifft.

Die jüngsten Daten deuten alle in dieselbe Richtung: Die Inflation hält sich nicht nur auf hohem Niveau, sondern lässt auch gelegentlich Anzeichen eines erneuten Anziehens erkennen. In Frankreich beispielsweise lag sie ersten Schätzungen zufolge bei 6,2 % im Februar und damit wieder auf ihrem Hoch vom Oktober. Deutschland geht es noch schlechter. Mit 8,7 % im Jahresvergleich liegt die Inflation auch hier praktisch wieder auf dem Niveau vom Oktober. Wider Erwarten ist der Höhepunkt also noch nicht wirklich überschritten. In den USA stieg die Inflation bei den privaten Ausgaben im Januar auf 5,4 % gegenüber 5,3 % im Dezember. Zugegebenermaßen war der Spitzenwert im Juni mit rund 9 % deutlich höher. Doch der Rückgang ist gebremst oder kehrt sich sogar um.

Markt korrigiert Erwartungen an Leitzinsen nach oben

Entsprechend wird nun eine weitere Straffung der Geldpolitik erwartet. Der Markt rechnet mittlerweile mit Leitzinsen in den USA von knapp 5,5 % in diesem Sommer, während man Anfang Februar noch von unter 5 % ausgegangen war. Einige Analysten sehen sie sogar auf 6 % klettern. Dasselbe spielt sich in der Eurozone ab, wo die Prognosen für die Leitzinsen per Ende 2023 mittlerweile bei fast 4 % liegen, gegenüber den Anfang Februar erwarteten 3,25 %. Nachdem der Markt eine Zeit lang an der Entschlossenheit der Zentralbanken gezweifelt hat, nimmt er sie mittlerweile durchaus ernst. Bei diesen Prognosen gibt es sogar noch Luft nach oben. Denn bei einer Kerninflation in der Eurozone im Februar von 5,6 % erscheinen die erwarteten Leitzinsen noch recht niedrig, sofern sich die Inflation nicht doch noch stark abschwächt.

Für die privaten Haushalte ist die Situation noch schwieriger, da sich bestimmte Grundbedarfsgüter deutlich schneller verteuern als die allgemeine Inflation steigt. So ist in Deutschland bei Lebensmitteln ein Anstieg von fast 20 % zu verzeichnen. In Frankreich sind es 15 %. Zudem werden zwischen den Produzenten und dem Handel weitere Preisanhebungen ausgehandelt. Damit können Löhne und Gehälter im Allgemeinen nicht mithalten. Die realen inflationsbereinigten Einkommen gingen in Deutschland, der größten Wirtschaftsmacht der Eurozone, im Jahr 2022 beispielsweise um 4,1 % zurück, und das nun im dritten Jahr in Folge.

Positive Effekte für Wirtschaft und Staaten

In diesem Inflationsstrudel entlasten allerdings einige positive Effekte die Wirtschaft. Erstens haben nicht alle Unternehmen zu leiden. Im Durchschnitt – wenngleich das gewiss nicht für alle gilt – können sie die Inflation über ihre Verkaufspreise weitergeben und auf diese Weise ihre Margen aufrechterhalten. Dabei profitieren sie gleichzeitig davon, dass die Löhne und Gehälter insgesamt weniger schnell steigen. Somit können die realen Lohnkosten sogar sinken! Das ist ein Segen für Aktionäre.

Zweitens beschließen die Staaten in der Regel, die Inflation in den Einkommensteuertabellen widerzuspiegeln. Frankreich hat beispielsweise entschieden, die Schwelle von 5,4 % auf das Einkommen für das Jahr 2022 anzuheben. Bei Personen, deren Einkommen stagnieren oder weniger stark steigen als die Inflation, führt das zu einer Verringerung des Steuersatzes und damit zu einer allgemeinen steuerlichen Entlastung.

Letztendlich profitieren die Staaten von höheren Steuereinnahmen, da sie einen praktisch stabilen Anteil der nationalen Bruttoinlandsprodukte abschöpfen, die wiederum mit der Inflation steigen. Wenn die realen Zinssätze (d. h. die nominalen Zinssätze abzüglich der Inflationsrate), zu denen sich die Staaten verschulden, negativ sind, verringern sie in Wirklichkeit ihre Schulden. Da dies zurzeit in Europa der Fall ist, können sie weiterhin Haushaltdefizite generieren, ohne ihre Bilanz zu belasten. So weist die Eurozone laut dem IWF 2022 ein Verhältnis von Schulden zum BIP von 93 % auf, was ein Rückgang gegenüber 2020 ist. Die voraussichtliche Entwicklung wird ebenfalls rückläufig sein: 91 % im Jahr 2023 und dann 89 % im Jahr 2025. In den USA wird in den von Bloomberg zusammengestellten Prognosen von einem Rückgang von 102 % im Jahr 2022 auf 97 % im Jahr 2023 ausgegangen – trotz eines Haushaltsdefizits von fast 5 %.

Die Inflation ist also nicht nur Fluch. Und das ist gut so, denn es sieht so aus, als müssten wir noch eine ganze Weile mit ihr leben – Amor fati.

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

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