Olivier de Berranger

Macroscope : Die Inflation ist tot, lang lebe die Inflation!

Paris, 31. Januar 2022 – Obwohl die Inflation seit Ende 2021 das Hauptgesprächsthema an den Märkten gewesen war, wurde sie zuletzt von der Diskussion über eine bevorstehende Rezession verdrängt. Dennoch kann es durchaus sein, dass sich die Anleger auch mit der Inflation weiter auseinandersetzen müssen.

Grund hierfür ist zunächst einmal, dass (noch) nicht in allen Regionen der Welt ein Rückgang wie beispielsweise in den USA zu beobachten ist. Zwar beginnt die Gesamtinflation in der Eurozone dank des Rückgangs der Energiepreise nachzugeben, die Kerninflation steigt aber weiter. In Japan, dem der Höhenflug der Preise lange Zeit erspart geblieben ist, erreicht die Inflation Rekordwerte, die es seit den 1990er- oder sogar den 1980er-Jahren nicht mehr gegeben hat. Dies veranlasste die Bank of Japan nun, ihre seit Jahren verfolgte ultralockere Geldpolitik infrage zu stellen. Von den großen Volkswirtschaften scheint im Moment allein China verschont zu bleiben.

 

Nachfrage aus China könnte Inflation und Wirtschaftswachstum nach oben treiben

Doch das Reich der Mitte verfügt über den Kraftstoff, der den weltweiten Inflationsmotor wieder zum Laufen bringen könnte. Die schnelle Wiederöffnung des Landes nach der abrupten Beendigung seiner Null-Covid-Politik wird die Nachfrage nach oben treiben, insbesondere nach Rohstoffen. Für die Rohstoffpreise ist das alles andere als nebensächlich, da doch China im Durchschnitt ein Fünftel des weltweiten Rohöls, mehr als die Hälfte der Kupfer- und Nickelmenge und drei Fünftel des Flüssigerdgases importiert. Im Gegensatz zu den USA, wo Schecks direkt an die privaten Haushalte verteilt wurden, hatte die Volksrepublik keine massiven Konjunkturprogramme zur gezielten Ankurbelung der Nachfrage aufgelegt. Dennoch haben die Chinesen während der langen Lockdowns sehr viel gespart – insgesamt 2,6 Trilliarden Dollar im Jahr 2022. Mit der Öffnung der chinesischen Landesgrenzen steht diese riesige Geldmenge nun zur Ankurbelung der Weltwirtschaft bereit.

Ein derartiger Nachfrageüberschuss dürfte eine positive Wirkung auf das weltweite Wirtschaftswachstum ausüben. Dies betrifft vor allem Europa, wo zahlreiche Unternehmen im chinesischen Konsum tätig sind. Doch er könnte auch zu erneuten Störungen in den Lieferketten führen, die gerade erst allmählich zu einer halbwegs normalen Funktionsweise zurückfinden. Dies ist umso wahrscheinlicher, als dass noch nicht bei allen Produkten eine Normalisierung zu verzeichnen ist. So gibt es an einigen Stellen seit Monaten Überbestände, während andere Produkte weiterhin Mangelware sind.

Sicherlich herrscht Ungewissheit darüber, wie schnell sich die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft auf die Weltwirtschaft auswirken wird. Die nach wie vor ausgeprägten Sorgen im heimischen Immobiliensektor lassen den Bausektor schwächeln und begrenzen die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen. Die Zurückhaltung beim Konsum, die man sich während der Pandemie angewöhnt hat, wie auch die ungewissen wirtschaftlichen Aussichten könnten die Motivation zum überstürzten Ausgeben der Ersparnisse bremsen.

Wenngleich die Inflation nicht mehr das zentrale Thema der Anleger ist und sich die finanziellen Bedingungen deutlich gelockert haben, sollte man das Risiko einer durch die Wiederöffnung Chinas verursachten neuen Inflationswelle genau im Auge behalten.

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

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