Unterversorgung auf allen Ebenen?

Nach dem Vorbild der australischen Flying Doctors gelangen Ärzte nun über eine Luftbrücke von Dijon nach Nevers. Um dem Mangel an Pflegekräften im französischen Département Nièvre, das heute einer „medizinischen Wüste“ gleichkommt, entgegenzuwirken, werden Kardiologen, Allgemeinmediziner, Krankenpfleger und Lungenärzte eingeflogen. Auf sie wartet ein langer Tag. Diese wegweisende Initiative ist alles andere als nebensächlich.

Im Bereich Pharmazeutik ist die Situation nicht besser. Antibiotika, Entzündungshemmer, Schmerzmittel usw. – die Lieferketten geraten zunehmend unter Druck und sowohl in den Apotheken als auch in den Krankenhäusern kommt es zu Engpässen. Von der sich zuspitzenden Arzneimittelknappheit ist ganz Europa betroffen.

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung steht auf dem Spiel. Sämtliche Europäerinnen und Europäer sind mit dieser entscheidenden, lebenswichtigen Problemstellung konfrontiert. Bislang ist keine Abhilfe in Sicht. 80 % der pharmazeutischen Wirkstoffe werden im weit entfernten Asien hergestellt. Frankreich bezieht den häufig vergriffenen Wirkstoff Paracetamol größtenteils aus China und Indien (über 75 %). Daran wird sich in naher Zukunft aller Voraussicht nach nichts ändern: Zwar ist seit der Coronakrise die Rückverlagerung der gesamten Paracetamol-Produktion nach Isère, an den Standort der seit 2008 geschlossenen letzten europäischen Produktionsstätte, geplant. Doch dieser wird voraussichtlich erst 2026 operationell sein. Diese Aussichten lindern unsere Kopfschmerzen jedenfalls nicht gerade.

Wenngleich Nietzsche der Auffassung war, „eine Gesundheit an sich gibt es nicht“, so hat sie doch ihren Preis und ist mit Kosten verbunden. Nicht zuletzt offenbart sie erhebliche Ungleichheiten. Die neue globale Gesundheitswirtschaft ist mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter der steigende Druck im Hinblick auf die Arzneimittelpreise und den – geografischen wie finanziellen – Zugang zur Gesundheitsversorgung. Denn für 50 % der Weltbevölkerung ist keine medizinische Grundversorgung gewährleistet, und Schätzungen der WHO zufolge fallen jedes Jahr 100 Millionen Menschen aufgrund der Kosten für die Krankenversorgung unter die Armutsgrenze.

Die Verfügbarkeit von Pflegekräften, Gesundheitsinfrastrukturen und Medikamenten zählt beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu den Hauptproblematiken. Hierbei handelt es sich um ein globales Dilemma, für das von innovativen Unternehmen derzeit Lösungen entwickelt werden. Diese könnten der Ausgangspunkt für eine Wende sein.

Hierzu zählen beispielsweise die vom deutschen Unternehmen Nexus[1] entwickelten Softwarelösungen, die es ermöglichen, Pflegekräften Verwaltungsaufgaben abzunehmen und die Patientenbetreuung zu optimieren (Digitalisierung von Patientenakten, Steuerung der Pflegeprozesse im Krankenhaus, Verwaltung der Blutreserven). Ebenso entwickeln innovative, insbesondere im Bereich der Immuntherapie tätige Biotechnologie-Unternehmen Behandlungsmöglichkeiten für Krankheiten, für die derzeit keine Heilmittel existieren.

Einige Pharmaunternehmen, wie etwa Novo Nordisk, erzielen nicht nur Fortschritte bei der Diabetes-Therapie, sondern tragen auch dazu bei, den geografischen und finanziellen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, indem sie in den Entwicklungsländern ehrgeizige Vorhaben umsetzen. Ein weiteres Paradebeispiel ist der Walliser Pharmazulieferer Lonza Group, der die besonders komplexen Herstellungsprozesse, insbesondere von Biopharmazeutika, industrialisiert.

Der finanzielle Zugang kann auch durch Fortschritte bei der In-vitro-Diagnostik erleichtert werden. Der französische Spezialist Biomérieux ist auf diesen Bereich spezialisiert, auf den nur 2 bis 3 % der weltweiten Gesundheitsausgaben entfallen, obwohl die Tests für medizinische Entscheidungen unerlässlich sind.

Der Gesundheitssektor boomt. Bei den weltweiten Gesundheitsausgaben, die bereits 2019 bei 8.500 Milliarden US-Dollar lagen, ist weiterhin ein rasanter Anstieg zu verzeichnen. Der Ansatz, den Sektor zu transformieren, erhielt durch die Coronakrise weiteren Auftrieb.

Die beeindruckende Innovationsfähigkeit der Unternehmen eröffnet vielversprechende Perspektiven, und birgt zudem Anlagemöglichkeiten mit hohem Potenzial …

 

Editorial des Monats von Olivier de Berranger, stellvertretender Generaldirektor und CIO, und Louis Porrini, Fondsmanager, La Financière de l’Echiquier (LFDE)

 

[1] Die aufgeführten Werte haben Beispielcharakter. Weder ihr Vorhandensein im verwalteten Portfolio noch ihre Wertentwicklung sind garantiert.

 

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