Olivier de Berranger

Schock auf Schock: was sind die Lehren aus der Bankenkrise?

Paris, 20. April 2023 – Vor knapp einem Jahr nahm die US-Notenbank endlich den Kampf gegen die Inflation auf, die sie bis dahin viel zu lange ignoriert und als „vorübergehend“ betrachtet hatte. Mit einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen um 475 Basispunkte und einem Anstieg auf 5,00 %, war das Straffungstempo so rasant wie zuletzt Anfang der 1980er Jahre. Die EZB hinkte wieder einmal hinterher und griff erst im Juli 2022 ein. Seitdem wurden die Zinsen um 350 Basispunkte angehoben – ein solches Ausmaß hat es seit der Gründung der Institution im Jahr 1998 nicht gegeben. Während diese drastischen Zinserhöhungen die Inflation vor allem durch die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit stoppen sollen, haben die Kollateralschäden im globalen Bankensystem die Märkte im vergangenen Monat in helle Aufregung versetzt.

 

Der Fall der Silicon Valley Bank

Beim ersten Opfer, der Silicon Valley Bank, führten Investitionen in Anleihen mit zu langen Laufzeiten zu einem immensen Bestand an nicht realisierten Verlusten. Da die Einlagen sich auf das kalifornische Tech-Umfeld konzentrierten, zu dessen Finanzierung und Bereicherung die Bank wesentlich beigetragen hatte, hätte man annehmen können, dass sie Unterstützung aus diesem Sektor erhalten würde. Das genaue Gegenteil war jedoch der Fall: Mit Tweets und E-Mails wurde Öl ins Feuer gegossen und ein Ansturm auf die Bank ausgelöst. Innerhalb weniger Stunden wurden beispiellose 42 Milliarden US-Dollar abgehoben. Zum Vergleich: Bei der großen Insolvenz einer US-Geschäftsbank im September 2008 verteilten sich die Abhebungen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar auf mehrere Wochen. Im aktuellen Fall wurden Online-Dienste und beschleunigte digitale Prozesse der Bank zum Verhängnis und führten sozusagen zum ersten „Swipe Crash“ der Geschichte.

 

Bankinstitute in der Liquiditätskrise

Während mittelgroße US-Banken an der Börse zunächst am stärksten in Ungnade fielen, geriet bald darauf die Crédit Suisse ins Blickfeld. Geringe Rentabilität, häufige Umstrukturierungen und zahlreiche Kontroversen machten sie zu einem leichten Ziel – insbesondere in einem Umfeld, in dem die Angst vor Verlusten schwerer wiegt als alles andere. Nach 110 Milliarden Schweizer Franken, die von den Kunden im letzten Quartal 2022 von den Konten abgezogen wurden, sah es Anfang 2023 kaum besser aus.

Die beiden betroffenen Banken unterscheiden sich stark voneinander. Doch die Situation führt uns einmal mehr vor Augen, dass Bankinstitute grundsätzlich durch Liquiditätskrisen zu Fall gebracht werden – und zwar unabhängig von ihrer Solvabilität. Wenn sich die Einlagen auf eine einzige Kundenkategorie konzentrieren, ob nun die kalifornische Tech-Branche oder vermögensstarke Kunden, birgt dies ein hohes Risiko. Ein starkes und offen kommuniziertes Misstrauen, ob gerechtfertigt oder nicht, kann die schwächsten Akteure sofort in Schieflage bringen.

 

Von Europas Banken gehen weniger Risiken aus

Wir sind der Ansicht: Der europäische Bankensektor ist insgesamt viel stabiler, da er besser reguliert und gesteuert wird. Dennoch sind die Folgen schon jetzt absehbar: reduzierte Kreditvergabe im Privatsektor, strengere Kreditbedingungen und – eine europäische Spezialität, die sich diesmal als nützlich erwiesen hat – zusätzliche Regulierungsmaßnahmen.

Banken sind spezielle Unternehmen, bei denen die finanzielle Gesundheit und die Börsenkurse von zahlreichen Faktoren abhängen: Zinsspannen, Diversifizierung, Mittlertätigkeit, Beratung usw. Man darf jedoch nie vergessen, dass ein plötzlicher Vertrauensentzug sie nachhaltig schädigen kann.

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

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