Enguerrand Artaz

Macroscope: Die Fed bleibt auf Kurs – fürs Erste

Die Preise auf dem US-Wohnimmobilienmarkt brechen markant ein. Das gilt sowohl für Immobilienkäufe als auch für die Mieten in neuen Mietverträgen. Umfragedaten für den Fertigungssektor tendieren in Richtung Schrumpfung. Die nach wie vor volatilen Rohstoffpreise stagnieren allerdings im Trend. Die Engpässe in den weltweiten Lieferketten lösen sich allmählich auf. Die Sparquote ist eingebrochen und die einkommensschwächsten US-Haushalte haben praktisch all ihre während der Lockdowns angelegten Reserven ausgegeben, sodass die Aussichten für den Konsum eher schwach sind.

Keine Wende bei Preissteigerungen in Sicht

Allmählich geraten fast alle Motoren der US-Inflation ins Stottern. Dennoch schlägt die US-Notenbank, die ihren Leitzins erneut um 0,75 % erhöht hat, nach wie vor einen äußerst harten Tonfall an. Man könnte meinen, diese Haltung komme zur Unzeit, doch sie lässt sich mit mindestens drei Aspekten erklären. Zunächst einmal läuft der wichtigste Motor der Inflation, nämlich der der Beschäftigung und der Löhne, weiterhin auf Hochtouren. Der amerikanische Arbeitsmarkt bleibt extrem angespannt. Die Zahl der offenen, nicht besetzten Stellen ist fast doppelt so hoch wie die der Arbeitsuchenden, die Lohninflation ist hoch, die Arbeitslosenquote außergewöhnlich niedrig und die Schaffung von Arbeitsplätzen zeigt sich weiterhin solide. Solange die Fed an dieser Front keine Trendwende erkennt, ist es recht unwahrscheinlich, dass sie den Druck mindert. Hinzu kommt, dass – auch wenn das Potenzial eines übermäßigen Konsums mittlerweile erschöpft ist – die Haushalte immer noch viel ausgeben. Die Unternehmen können ihre Kostensteigerungen weiterhin auf die Verkaufspreise abwälzen, solange die Nachfrage derart robust bleibt. Die Aussichten in diesem Bereich sind eher trübe, doch bei den Preisen zeichnet sich kaum eine Wende ab.

Zu guter Letzt wird die Fed eher zu weit gehen, als im Kampf gegen die Inflation zu früh nachzugeben. Diese Einstellung wurde von Fed-Chef Jerome Powell nach der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses explizit bekräftigt. Er erklärte, dass sich eine Übertreibung bei der geldpolitischen Straffung leichter korrigieren lasse als ein Scheitern im Kampf gegen die Inflation, da die Notenbank über die erforderlichen Instrumente verfüge, um die Wirtschaft zu stützen. Das bedeutet, dass die Fed, auch wenn zahlreiche Frühindikatoren in die richtige Richtung deuten, ihre Haltung nicht ändern wird, solange die offiziellen Inflationszahlen – und die des Arbeitsmarktes – nicht deutlich eine Beruhigung der Situation aufzeigen.

Mehr Flexibilität aber weniger Vorhersehbarkeit für Anleger

Allerdings hat die Notenbank bereits einen Schritt in Richtung mehr Flexibilität unternommen. In ihrer offiziellen Mitteilung ließ sie verlauten, dass sie die bereits ergriffenen geldpolitischen Straffungsmaßnahmen und die Zeit, die die Wirtschaft braucht, um auf diese zu reagieren, bei der Bemessung künftiger Maßnahmen berücksichtigen werde. Dies ist keine harmlose semantische Ergänzung, auch wenn sie durch den harten Tonfall Jerome Powells auf der Pressekonferenz ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt heiß es von Seiten der Fed, dass sie solide Bestätigungen brauche, also mehrere aufeinander folgende günstige Zahlen, bevor sie eine Lockerung ihrer Geldpolitik ins Auge fassen werde.

Mit der Aufnahme dieses Satzes in der Pressemitteilung räumt sie sich wahrscheinlich die Möglichkeit ein, flexibler zu reagieren, wenn bei einigen Daten eine Trendwende erkennbar wird. Dies geht durchaus in die richtige Richtung, hat jedoch einen großen Haken: Mehr Vorhersehbarkeit für die Anleger ist dadurch alles andere als gegeben. Genau diese bräuchten die Märkte jedoch, um wieder zu einer konstruktiveren Entwicklung zurückzufinden.